Wolfgang Maitz, Sara Kos, Sebastian Tropper, Helmut Gramer, Rene Kollegger, Holger Massner und Christian Zach (v. l.) sprachen über die heißesten Themen der Weinbranche und gaben einen spannenden Einblick in den Joballtag eines Sommeliers.
Reif für reife Weine
Sommeliers am Wort! In einem offen-ehrlichen Interview plauderten sieben Experten über die neuesten Trends und brisantesten Themen der Weinbranche – von Naturwein-Mitschwimmern, Gekränktheiten, Schema-F-Weinen und Terroir. Und: Warum der Job des Sommeliers einer der besten der Welt ist, warum Jungweine weg gesperrt gehören und es wichtig ist, in der Champions League zu spielen. Prost!
Unsere Interview-Runde:
- Christian Zach, Sommelier Weinbank, Ehrenhausen, Falstaff-Sommelier des Jahres 2017
- Rene Kollegger, Sommelier im Wirtshaus am Weingut Maitz, Ratsch
- Holger Massner, Sommelier im Liepert’s Kulinarium, Leutschach, Altwein-Experte
- Sebastian Tropper, Sommelier im Restaurant Eckstein, Graz
- Sara Kos, Sommelière in der Bar Albert, Graz
- Wolfgang Maitz, Weinbauer Weingut Wolfgang Maitz
- Helmut Gramer, Weinakademiker, bei Wein & Co.
Dienstagnachmittag im wunderschönen Weingut Wolfgang Maitz in Ratsch an der Weinstraße. Ein Raum, sieben Experten, eine Interviewerin, 16 Gläser. Das heiße Thema Wein. Und am Ende denkt man sich: Es gibt wohl keinen schöneren Beruf für weinaffine Menschen, als jenen des Sommeliers …
Christina Dow: „Es ist 14.30 Uhr. Welchen Wein würdet ihr jetzt servieren?“
Sara Kos: „Ein guter Rosé passt für mich am Nachmittag immer.“
Helmut Gramer: „Oder etwas mit Perlen.“
Sebastian Tropper: „Die meisten unserer Gäste würden jetzt wohl etwas Leichtes bestellen. Beaujolais ist zum Beispiel gerade im Trend. Oder ein Welschriesling – für mich persönlich gerne auch älter oder unkonventionell ausgebaut. Es darf nachmittags definitiv auch etwas Kräftigeres sein.“
Wolfgang Maitz: „Das ist eine sehr persönliche Frage. Welchen Wein ich am Nachmittag bestelle, hängt immer vom Anlass ab. Ob Gebiets-, Orts- oder Riedenwein ist egal, Hauptsache das Trinkvergnügen stimmt. Es stellt sicher eher die Frage: Was gibt es zu feiern?“
Rene Kollegger: „Ich finde, jeder Wein hat zum richtigen Zeitpunkt seine Berechtigung, es kommt immer auf die Situation drauf an. Hauptsache der Trinkfluss ist da. Als Sommelier will ich die Gäste natürlich immer wieder überraschen und ihnen Neues zeigen. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich das auch, aber man muss Gespür besitzen, wie viel man ihnen zumuten kann. Schließlich zahlt am Ende der Gast das Glas Wein.“
Dow: „Aber die Gäste werden doch immer offener für neue, ältere, unkonventionelle Weine, oder? Und anspruchsvollere. Stichwort Naturwein …“
Christian Zach: „Naturwein ist doch nicht anspruchsvoller als konventioneller Wein! Vielleicht fordernder, aber anspruchsvoll kann jeder Wein sein – egal, ob konventionell, Bio, Demeter, Vins S.A.I.N.S., etc. Als ich 2011 im Restaurant Kreuzwirt am Pössnitzberg Naturwein ausgeschenkt habe, war das für viele ein Aha-Erlebnis für andere wiederum ein No-Go! In Leserbriefen an den Gault&Millau haben sich die Gäste beschwert: ,Der Wein war verdorben!‘ Ich habe dennoch – auch dank Zuspruch einiger weniger, wirklich kompetenter Unterstützer – meinen Weg weiterverfolgt. Natürlich hätte ich klein beigeben können, aber das entspricht nicht meinem Wesen. Getreu dem Motto: ,Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich erarbeiten.‘ Jetzt gibt es viele Mitschwimmer, die einem Hype folgen. Auf einmal trinken viele Leute Naturwein, doch das sind keine Meinungsbildner. Eine Tendenz, die mich sehr nachdenklich stimmt.“
Dow: „Also wird steirische Klassik nicht in deinem Glas landen?“
Zach: „Aromahefe-Weine, diese technisch hergestellten Sachen, sind definitiv zu schade für meine Leber – die belaste ich lieber mit besseren Sachen! Diese sind mir zu fad, zu wenig spannend, einfach zu gewöhnlich. Obwohl es auch gute Weine gibt, die klassisch gemacht werden.“
Gramer: „Aber ist der Naturwein-Plafond nicht langsam erreicht?“
Tropper: „Ich war ja die letzten Jahre am Schiff und als ich nach Graz zurück gekehrt bin, gab es auf einmal überall dieses Naturwein-Thema. Gäste unterschiedlichster Art forderten rigoros einen Naturwein und wurden sehr forsch, wenn es keinen oder nur eine kleine Auswahl gab. Im ersten Moment hab ich mich gefragt: Was hab ich verpasst, woher kommt dieser Trend auf einmal? Und dann musste ich mich natürlich auch mit dem Thema beschäftigen und einiges kosten. Aber ich denke, es wird immer nur ein kleiner Teil am Markt bleiben.“
Zach: „Ich kann dir schon sagen, woher der Trend gekommen ist. Aus Skandinavien, aus dem Noma, als der Sommelier damals Naturwein hypte. Und die Toplokale auf der ganzen Welt sind nachgezogen und haben diesen Trend kopiert.“
Gramer: „Nicht zu vergessen sind da auch die sozialen Netzwerke, die haben auch einiges zur Verbreitung bei getragen …“
Dow: „Dieses rigorose Fordern und die fehlende Offenheit anderen Weinen gegenüber, erlebe ich immer wieder bei Naturwein-Trinkern …“
Zach: „Ja, die Naturweinwinzer und -trinker haben oft am wenigsten Offenheit. Ich war gerade bei der 501 in München und hörte den Vortrag von Nicolas Joly an, einem der größten, französischen biodynamisch arbeitenden Weinbauern. Er war unglaublich rigoros in seinen Ansichten: Er findet, mazerierte Weißweine sind Dreck, beim Ernten darf man ruhig bis zur Botrytis warten und so weiter. Das fand ich schon übertrieben.“
Maitz: „Ich glaub da spielt auch eine gewisse Gekränktheit der Naturweinwinzer mit. Früher wurden sie belächelt und jetzt werden sie gehypt. Deswegen gibt es vielleicht auch so manche Trotzigkeit und Engstirnigkeit.“
Kollegger: „Auch ich brauchte eine Zeit lang, um mit dem Thema Naturwein bzw. Orangewein umgehen zu können. Da ich mit Wein im klassischen Stil groß geworden bin, gefallen mir persönlich auch eher ruhige und fokussierte Naturweine mehr. Ich bin kein großer Fan von zu viel Gerbstoff und Oxidation und schon gar nicht von Fehltönen. Man muss für jede Art von Wein offen sein – man soll probieren und danach entscheiden, ob es das Richtige für einen ist.“
Kos: „Vielleicht wird sich nicht unbedingt der Naturwein durchsetzen, aber Biowein bestimmt …“
Massner: „Roland Tauss machte vor rund 10 Jahren die mutige Prophezeiung, dass es in 20 Jahren ca. 20 Prozent Bio-Winzer geben wird. Das geht sich bestimmt aus.“
Maitz: „Ja, biologische Bewirtschaftung wird natürlich immer wichtiger und ist gerade für die Weinbauern, die mehr als nur Wein machen möchten, bereits jetzt ein Muss.“
Tropper: „Ich finde es schade, dass man darüber überhaupt diskutieren muss. Bio und Regionalität sollten eigentlich Standard sein! Das fängt bei jedem Lebensmittel an und hört beim Wein auf.“
Massner: „Heutzutage schon. Aber in meiner Zeit in der Vinofaktur von 2004 bis 2012 war es richtig schwer, Bio-Wein zu verkaufen. Die Leute hatten ein falsches Bild davon. Erst in den letzten vier bis fünf Jahren ist viel Aufklärung – auch seitens der Sommelerie – passiert und daher die Akzeptanz gestiegen.“
Kollegger: „Naturnah zu arbeiten ist ein großes Thema, denn der Klimawandel ist da und dem müssen wir entgegenwirken. Das weiß jeder, außer Trump …“
Dow: „Die Frage ist aber wohl eher: Was ist überhaupt naturnah bzw. Naturwein? Es gibt ja keine klare Definition …“
Kollegger: „Ja, das ist ja das Problem. Es gibt keine gesetzliche Regelung. Man versucht Naturweine immer mit weniger oder keinem Schwefelzusatz zu erklären. Aber das sind nur paar Parameter von vielen. Bei Orangewein ist es etwas einfacher, das sind einfach weiße Rebsorten, die wie Rotwein vergoren werden.“
Massner: „Man könnte sagen, man verzichtet auf alles, was konventionellen Weinbau ausmacht.“
Zach: „Wichtig ist, dass man die Aussagen des Winzers hinterfragt! Spontanvergoren bedeutet: kein Ansatz von Hefen aus dem Weingarten und die Gärung wird eben nicht vom Winzer gestartet. Es gibt keine kontrollierte Spontanvergärung.“
Gramer: „Für große Weine muss man ein bisschen eingreifen, die machen sich nicht von alleine! Erwin Sabathi holt sich kurz vor der Ernte ein paar Trauben von der entsprechenden Lage und lässt sie angären. Später gibt er sie dann bei der Gärung der Haupternte dazu. Damit läuft diese dann schneller und sicherer ab. Er setzt auch keine Reinzuchthefen ein. Somit kann man vielleicht nicht von einer spontanen aber zumindest von einer natürlichen Gärung sprechen.“
Tropper: „Ich denke, jeder hat seine persönlichen Grenzen und Interpretationen zu Naturwein. Vielleicht gibt es ja in 10, 15 Jahren ein Reglement.“
Zach: „Die Naturweinwinzer haben versucht, einen Konsens zu finden! Lange wurden sie nur belächelt. Jetzt sind Sie trotzig und spielen beim neuen DAC nicht mit! Das kann ich nachvollziehen, aber es ist natürlich schade.“
Kos: „Man kann Naturwein keine Haube aufsetzen, das kann man nicht klar einordnen.“
Maitz: „Die Naturweinbauern wollen sich auch nicht in eine Schublade stecken lassen.“
Dow: „Und die Gäste?“
Zach: „Der Kunde lässt sich ja bis zu einem gewissen Grad lenken und beeinflussen. Früher hab ich meine Gäste davon überzeugen wollen, Naturwein zu trinken, heute mach ich das nicht mehr. Es soll jeder trinken, was er will. Seit ich 2017 Falstaff-Sommelier des Jahres wurde, glauben mir die Leute auf einmal was! Vorher musste ich mir den Mund fusselig reden und nur wenige haben mir geglaubt. Jetzt ist das eben anders, vielleicht auch aufgrund meines Alters!? Aber zumindest sieht man, dass sich die Gäste eben auf die Fachmedien verlassen.“
Tropper: „Aber du hast deine Weinkarte komplett selbst positioniert oder?“
Zach: „Ich hab meine Karte schon so gestaltet, dass ich dahinter stehe. Außer die 2017er, die ich jetzt erstmalig auf der Karte hab. Ich wollte das einmal probieren, aber eigentlich bereue ich es jetzt schon. Jungweine gehören weg gesperrt! So ist ja auch unser Konzept: wir wollen zeigen, wie großartig gereifte Weine schmecken! Das ist auch ein wichtiges Merkmal der Südsteiermark, dass Weine produziert werden, die lang reifen können. Mittlerweile hat sich die Steiermark derart entwickelt, dass wir mit der Weltspitze mithalten können. Natürlich nicht mit den hefe-aromatisierten Weinen, sondern mit den ehrlichen.“
Kos: „Sehe ich auch so, bei uns in der Bar Albert haben wir auch keinen 2017er auf der Karte. Wir haben einige 2016er, auch offen, aber die meisten starten 2015 abwärts.“
Kollegger: „Kann aber natürlich nicht jeder machen. Ich finde, als Sommelier ist es wichtig, mit seiner Karte alles abzudecken – von Klassikweinen über kräftige, gereifte bis hin zu Naturweinen. Außer man bespielt sein eigenes Restaurant und zeigt nur seine Lieblingsweine. Aber man darf sich schon auch was trauen. Wir haben aktuell bei uns im Restaurant dem Welschriesling seine eigene Seite gewidmet – für viele eine unterschätzte Rebsorte. Da zeigen wir, was er kann – in Jahrgangstiefen bis 1980 und verschiedenen Macharten. Wir werden jedes Jahr eine andere Rebsorte vor den Vorhang bitten.“
Maitz: „Ich bin ein großer Fan von Steirischer Klassik aus älteren Jahrgängen. Auf unserer Weinkarte im Wirtshaus findet man viele Jahrgänge der Gebietsweine von Sauvignon Blanc, Gelber Muskateller und Weißburgunder. Ich finde, gerade damit kann man heutzutage begeistern und überraschen. Bei einer großen Riede sind die Erwartungen schon sehr groß.“
Gramer: „Das ist bei mir im Einzelhandel natürlich ein bisschen anders. Unsere Gäste wollen vor allem den aktuellen Jahrgang, da haben wir ein breiteres Publikum als in der Top-Gastronomie. Mit 2015er oder gar 2014er Weinen tu ich mir im Verkauf sehr schwer – und auch im Lager. Diese Flaschen werden dann meistens abverkauft.“
Maitz: „Ja und dann passiert es, dass bei euch der Wein billiger ist, als bei mir ab Hof! Ihr gebt einen Abverkauf-Rabatt, ich möchte für einen älteren Steirische Klassik-Wein aber teurer werden. Das bringt uns Winzer oft in eine schwierige Situation. Ich biete dann an, den Wein zurück zu kaufen.“
Dow: „Ist Wein tatsächlich eine Preisfrage?“
Kollegger: „Ob das Glas Weißburgunder Klassik 2014 6 Euro oder 4 Euro kostet, ist dem Gast egal, wenn er dadurch einen neuen Horizont bekommt und sich damit wohlfühlt.“
Zach: „Nein, das glaub ich nicht! Der Preis ist sehr wohl ein Thema!“
Massner: „Ja sehe ich auch so. Vor allem seltene Weine und ältere Jahrgänge kann man nur sechzehntelweise in die Weinbegleitung zum Menü einbauen – mit einem Preis von bis zu € 25,- pro Glas würde man jeden Gast nur verschrecken.“
Kollegger: „Es ist wichtiger, das Erlebnis zu verkaufen! Der Gast muss begeistert sein und eine neue Erfahrung gemacht haben, die ihm in Erinnerung bleibt.“
Tropper: „Aber es stellt sich doch immer wieder die Frage: Muss die Karte an den Sommelier, an den Gast oder an die Größe des Betriebs angepasst sein? Das ist ein schmaler Grat. Manche Gäste wollen Entertainment, manche einfach nur ohne Nachzudenken ein Glas Wein trinken. In Graz haben wir das Glück, durchaus eine Gästeschicht zu bewirten, die Ahnung von Wein hat! Hier macht es umso mehr Spaß, sich selbst zu verwirklichen und gemeinsam mit dem Gast wieder neue Erlebnisse zu schaffen. Man kann Unbekanntes probieren oder einen Jahrgang lange vor meiner Zeit öffnen. Tolle Weine mit Menschen teilen zu können, die sie auch zu schätzen wissen, ist doch eine unserer schönsten Seiten im Job!“
Zach: „Ja, das ist toll. Deshalb hat ein guter Gastronomiebetrieb auch nur ausgebildete Fachleute, die das Erlebnis Wein wirklich transportieren können. Ein Sommelier, oft mit jahrelanger Erfahrung in internationalen Spitzenlokalen, weiß, wie und mit welchen Flaschen er die Gäste begeistert.“
Tropper: „Aber behalten wir das richtig gute Zeug nicht auf? Für besondere Gäste, Anlässe oder Empfehlungen … oder habt ihr immer alles auf der Karte?“
Kollegger: „Wenn ich von einem Wein, der mir sehr am Herzen liegt, nur mehr sechs Flaschen habe und ich weiß, dass es diesen Wein nicht mehr gibt, achte ich schon darauf, dass dieser Wein nicht zu schnell verkauft wird. Da wir aber alle vom Verkauf leben, wird er natürlich früher oder später beim Gast landen.“
Zach: „Also ich verkaufe alles! Sogar aus meinem Privatfundus. Bei mir steht auch ein Tement Zieregg Sauvignon 1997 auf der Karte. Der kostet richtig Geld, aber in Wirklichkeit ist dieser unwiederbringliche Wein nicht mit Geld auf zu wiegen. Natürlich muss die Klientel passen. Wenn ich das Gefühl habe, der Gast weiß nicht, worum es geht oder er weiß eine Rarität nicht zu schätzen, wird der Wein im Keller bleiben. Es geht ja darum, einen Wein zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Gast zu servieren.“
Maitz: „Ich denke, wenn es die beiden Kundenschichten Gastronomen und Weinbauern nicht gäbe, würden viele Flaschen verschlossen bleiben und viele Gerichte nicht gegessen werden. Diese Leute sind für die gesamte Branche sehr wichtig.“
Massner: „Meine Gäste – unabhängig davon, ob Weinbauer oder nicht – sind sehr angenehm und die meisten sehr offen. Aber natürlich schubladisieren wir die Gäste sofort, sobald sie bei der Tür herein kommen. Und wenn ein Gast dann einen 2017er will, bekommt er ihn, aber ich würde ihn nie empfehlen. Klassik verkaufe ich auch am wenigsten. Die meisten nehmen das Menü mit Weinbegleitung und da hab ich dann meine persönliche Auswahl. Je nach Tisch auch am gleichen Abend ganz unterschiedlich. Ich überrasche meine Gäste gerne mit einer großen Jahrgangstiefe und Weinen zurück bis in die 60er Jahre. Als Sommelier sollte man immer nur kompetent aufklären, empfehlen und argumentieren, aber nicht zu belehrend sein. Nur Flaschenfehler darf man entsorgen. Aber natürlich muss man den Gast bei manchen Weinen wissen lassen, worauf er sich einlässt.“
Dow: „Du hast also gute, unkomplizierte Gäste wenn ich das so höre …“
Kollegger: „Es gibt keinen guten oder schlechten Gast! Nur individuelle. Das Erlebnis Wein muss verkauft werden. Und das empfindet jeder anders.“
Massner: „Ja, manchmal bist du als Sommelier froh, wenn du einen Tisch ohne Ansprüche hast, der am besten noch selber aussucht. Man läuft in unserem Job ja ohnehin genug.“
Kollegger: „So ist es. Man kann nicht bei jedem Gast zehn Minuten stehen und über Wein philosophieren. Ich bin oft froh, wenn jemand eine Steirische Klassik bestellt und ich am Tisch keinen zu großen Redeaufwand habe. Schließlich trage ich auch noch das Essen und serviere ab. Ich hab ja keine Porzellan-Allergie, nur weil ich Sommelier bin!“
Gramer: „Schließlich ist man Kellner, oder?“
Zach: „Natürlich, immer! Nur Sommelier zu sein, gibt es auf der ganzen Welt nicht. Wenn abzuservieren ist, muss man hin greifen, sonst ist man fehl am Platz!“
Dow: „Schlechte Gäste gibt es also nicht. Wie sieht es mit schlechtem Wein aus der Steiermark aus?“
Zach: „Ja, den gibt es leider! Ich nenne sie Schema-F-Weine. Also Weine, die mit Aromahefe schnell gemacht werden und nur für den raschen Konsum sind. Das sind Weine, die in der Landesliga spielen, aber niemals an der Spitze stehen werden.“
Maitz: „Wenn es um das Grundwissen geht, muss man sagen: die Weinbauschule Silberberg ist eine sehr aktive Lehrstätte, die immer am Puls der Zeit ist. Hier lernt man das Einmaleins des Weinmachens auf klassische Weise. Den ganz persönlichen Zugang zur Natur und dem Produkt Wein sollte jedoch jeder für sich finden. Das ist unerlässlich, um Individuellen Wein entstehen zu lassen.“
Zach: „Beim Weinmachen gibt es eben nicht nur eine Wahrheit, sondern verschiedene Wahrheiten. Der Winzer muss zu seiner Philosophie stehen, seinen Weg durchziehen. Darauf kann sich dann auch der Endverbraucher einstellen.“
Massner: „Ich sehe das ein bisschen diplomatischer: Alles, was im Rahmen des Weingesetzes produziert wird, ist legitim. Alles andere Geschmackssache.“
Dow: „Aber neutral betrachtet wird das Niveau des steirischen Weins immer höher und kann an der internationalen Spitze mithalten, oder?“
Zach: „Ja, die Bewertungen von nationalen und internationalen Führern werden immer besser und sind auch wichtig. Vor allem die STK-Betriebe produzieren großartige Weine, die über die Grenzen hinaus für Aufsehen sorgen. Es ist schon wichtig, im Ausland Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist wie im Fußball: ein steirischer Landesliga-Sieger – siehe Landessieger – interessiert international niemanden, aber wenn man in der Champions League – wie etwa durch Topbewertungen von anerkannten Medien wie Gault&Millau, Falstaff oder Parker – spielt, hat man es geschafft. Dann ist man wer.“
Dow: „Wie wichtig ist es in der heutigen Zeit, eine staatliche Prüfnummer auf seiner Flasche zu haben?
Maitz: „Nach dem Weinskandal war die Einführung der Prüfnummer eine sehr gute und wichtige Sache, um möglichst fehlerfreie Qualitäten zu entwickeln. Für den heutigen Anspruch ist die Überprüfung der Herkunft das wichtigste für mich. Wenn wir mit der Herkunft werben und diese im Glas wiederfinden möchten, muss dies lückenlos bestätigt werden. Die Art der Prüfnummern-Verkostung könnte man aber überdenken, da die Individualität der Weine viel wichtiger ist, als ein Einheitsbrei!“
Massner: „Ich glaube, dass es auch dem Endverbraucher komplett egal ist, da schaut keiner mehr auf eine Prüfnummer oder die Österreich-Fahne am Flaschenkopf.“
Dow: „Und welche Bedeutung haben dann eurer Meinung nach die drei neuen DAC-Gebiete der Steiermark?“
Zach: „DAC kennt man international, es hat sicher seine Berechtigung. Für mich persönlich zählt nur der Winzer, alles andere ist Humbug. Ich schreibe auch sicher kein DAC-Gebiet auf die Karte!“
Kollegger: „Der Endverbraucher kennt sich mit den DAC-Gebieten ohnehin kaum aus. Oder kennt jemand die Rebsorten eines Leithaberg DAC oder des neuen Rosalia DAC? Was man weiß ist, ob man etwas Leichtes – DAC – oder etwas Kräftiges – DAC Reserve – trinkt.“
Zach: „DAC ist eigentlich für den internationalen Markt gemacht, nicht für den österreichischen.“
Maitz: „Die Einteilung der Qualitäten nach der Herkunftspyramide Gebiet – Ort – Ried ist der absolut beste Weg für die Steiermark. Da wir traditionell eine große Sortenvielfalt in den Weingärten stehen haben, können wir kein Sorten-DAC leben. Herkunft, Alter der Rebstöcke, Erträge und Erscheinungstermine spielen für mich dabei eine große Rolle. Bei uns am Weingut werden aktuell Gebietsweine 2017, Ortsweine 2016 und Riedenweine aus dem Jahrgang 2015 angeboten. Der Kunde kann sehr schnell erkennen, wie unser Qualitätsdenken strukturiert ist. Alte Reben, kleine Erträge und ein mindestens einjähriger Ausbau ist für mich das Fundament für einen ausdrucksstarken Riedenwein. Eine ungemein große Chance bieten die Ortsweine als Bindeglied zwischen Gebiet und Ried. Die Südsteiermark dabei in fünf gleichwertige Orte einzuteilen und einem bestimmten Bodentyp zuzuordnen – das ist einfach großartig!“
Zach: „Die Idee der Ortsweine find ich ganz gut, aber DAC sagt dann wieder überhaupt nichts aus. Wie immer wird alles im Leben standardisiert – eigentlich schade! Es gibt ja überall in Europa die Herkunftsbezeichnung. Aber ob eine Meursault Village, der ja auch einer Appellation Contrôllée unterliegt, gut ist oder nicht, kann auch eine gesetzliche Vorgabe nicht garantieren.“
Dow: „Herkunft und Terroir liegt in den letzten Jahren in aller Munde. Sind die Rebsorten überhaupt noch wichtig?“
Maitz: „Früher hat man nur Sorten angepflanzt, die unserem Klima und der Geologie entsprachen. Deshalb war eigentlich immer schon das Terroir ausschlaggebend für die Rebsorten. Ganz automatisch.“
Zach: „Schaut man sich die neuen Ortsweine von Tement an, kann man feststellen, dass der Boden klar wiedererkennbar ist. 80 Prozent der Winzer werden es aber nicht so machen, da schmeckt man leider mehr die Aromahefen als den Boden.“
Gramer:“ Aber zumindest kann man dem Kunden erklären, dass die Trauben für einen Ortswein nur aus einem kleinen abgegrenzten Gebiet stammen und in der Regel auch über eine bessere Qualität verfügen als die Weine der „Steirischen Klassik“.“
Massner: „Ich denke, es wird bei den Konsumenten schon noch eine Zeit dauern, bis sie sich nicht mehr vorwiegend nur an Rebsorte und Jahrgang orientieren …“
Dow: „Apropos Zeit: Wo steht der steirische Wein in 10 Jahren? Welche Trends zeichnen sich ab?“
Zach: „Als Sommelier will man immer am Punkt der Zeit leben. Damals in den frühen 90er Jahren musste moderner Wein üppig, konzentriert und breit sein – Holz-, Vanille- und Butter-Geschmack mussten im Vordergrund stehen. Heute ist alles ganz anders, die Weine sind schlanker, eleganter, straffer, vielschichtiger. Ich will mit Trend-Prognosen vorsichtig sein.“
Massner: „Für mich ist Individualität der springende Punkt. Sich eben KEINEM Trend anzuschließen, sondern sein eigenes Ding zu machen. Damit fällt man heutzutage auf und wird man erfolgreich. Nichts soll gleich schmecken, außer vielleicht der Boden.“
Zach: „Und Regionalität wird auch immer wichtiger. Bevor ich einen neuseeländischen Wein oder sogar einen dieser roten, eingekochten Konsumweine – deren Namen ich nicht auszusprechen getraue – bestelle, ist mir ein einfacher, ehrlicher Wein aus der Steiermark lieber.“
Dow: „Wo wir schon beim letzten Thema, eurem Lieblingswein, wären …“
Zach: „Das kann ich nicht sagen, das ändert sich jeden Tag. Gestern Abend war es der Gelbe Muskateller Segelfalter 2015 von Andreas Tscheppe. Extrem ruhig, mit klassischer Muskateller-Aromatik und Gerbstoff am Gaumen. Viel Wein, ohne üppig zu werden. Ehrlich und ohne Manipulation produziert! Da ist eine Flasche schon relativ klein.“
Massner: „Bei mir sind das gereifte Weine – da spielen für mich neben dem Genuss auch die Ehrfurcht und die Demut vor dem Alter eine sehr wichtige Rolle. Neulich bekam ich spontan Besuch aus Berlin und öffnete einen Chianti Classico Riserva 1966 der Fattoria di Tizzano. Ein bisschen auf der Kippe, aber ein echtes Erlebnis!“
Kollegger: „Mir ist der Welschriesling 1990 vom Weingut Lackner-Tinnacher in Erinnerung geblieben. So stell ich mir Welschriesling aus den 90ern vor!“
Maitz: „Meine beste Flasche aus den letzten Tagen war der Barolo Pira 2011 von Roagna.“
Tropper: „Für mich zum Muttertag der Sauvignon Blanc Jaunegg 2017. Einfach aufdrehen, trinken – macht auch Spaß.“
Kos: „Mich hat neulich der Sauvignon Blanc 2016 von Muster Gamlitz begeistert. Anfangs war er ein bisschen verhalten, aber hat sich dann super entwickelt.“
Gramer: „Und für mich war mein letzter Lieblingswein der Leutschacher Chardonnay 2016 von Erwin Sabathi – aus kleinen Holzfässern, aber mit einer frischen, zitronigen Säure.“
Dow: „Das Wort zum Abschluss?“
Zach: „Dass der Beruf Sommelier echt ein richtig schöner ist! Und wir uns dennoch schwer tun, gutes Personal und Nachwuchs-Sommeliers zu finden. Rene, Holger, Philipp Schäffer und ich haben uns zusammengeschlossen und veranstalten deshalb immer wieder ungezwungene, kostenlose Verkostungsevents für Sommeliers, um den Zusammenhalt innerhalb der Branche zu fördern und jungen Leuten – auch erst angehenden Sommeliers – Neues aufzuzeigen. Der Beruf gehört definitiv gefördert. Er macht richtig Spaß – man ist für Weineinkauf, Food Pairings, Gästebetreuung und manchmal für den gesamten Servicebereich eines Restaurants verantwortlich. Und nach oben gibt es fast grenzenlose Möglichkeiten. Ich sage immer: der Sommelier ist der, der die wichtigen Spiele entscheidet! Der Bastian Schweinsteiger im Weltpokalendspiel … und wer bitte möchte das nicht sein?“
Interview: Christina Dow
Fotos: Christina Dow, Weinbank, Weingut Wolfgang Maitz, KK
PS: Serviert wurde um 14.30 Uhr dann übrigens:
2015 Berghausener Weißburgunder von Wolfgang Maitz aus Ratsch,
2015 Clos de la Coulée de Serrant, Chenin Blanc von Nicolas Joly vom Château de la Roche-aux-Moines aus Savennières / Loire
und am Ende
2011 Barolo Pira DOCG von Azienda Roagna aus Castiglione Faletto / Piemont
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