Auf Biegen und (hoffentlich nicht) Brechen!
Die letzten Wochen waren nervenzerreißend. Zumindest dann, wenn wieder eine der Reben ordentlich zu knacksen begann. Aber das ist ganz normal beim Binden, hab ich mir sagen lassen. Und mit ein bisschen Übung geht es dann auch. Los geht’s im Halbbogen!
Reben binden klingt auf den ersten Ton ja relativ einfach und langweilig. Ist es aber nicht, versprochen.
Die Monate Februar und März sind also dazu da, die Hölzer in Form zu bringen (was genau wann im Weingarten passiert, lest ihr HIER). Nachdem wir Anfang Februar den Rebschnitt erfolgreich erledigt haben (HIER zum Nachlesen), die Drähte kontrolliert und Nachgespannt wurden, geht es jetzt ans Biegen und Anbinden der Rebhölzer am Drahtrahmen. Der Sinn davon ist einerseits eine dauerhafte Stabilität (damit durch Wind, Unwetter oder Maschinen keine Triebe weggerissen/abgebrochen werden), ein besseres Wachstum (durch die Abwärts- bzw. Horizontalneigung nach dem Binden fliest der Saft der Fruchtrute besser) und eine optimale Verteilung der Augen.
Flach oder gebogen?
Am Anfang alles Bindens stellt sich einmal die Frage: wie? Im Flachbogen? Im Halbbogen? Oder doch im Schrägbogen, Pendelbogen und Co.? Das ist natürlich wie so oft im Weinbau Gefühlssache bzw. Geschmackssache. Und von einigen Faktoren abhängig wie Alter des Rebstocks, Sorte, allgemeine Wetterbedingungen, etc. Stefan Potzinger setzt bei „meinem“ Gelben Traminer der Ried Kaltenegg auf die Halbbogen-Bindetechnik. Die Vorteile davon? Leichteres Biegen und dadurch geringere Bruchgefahr, gleichmäßigerer Ertrag durch größere Traubenzone, bessere Belüftung und damit eine vielleicht etwas verminderte Gefahr von Fäulnis, mehr Augen pro Stock und allgemein eine etwas leichtere Bearbeitung. Aber grundsätzlich ist es Geschmacksache, in der Südsteiermark (ich spechtle ja neuerdings bei jedem Nachbarn) gibt es auch viele, die auf Flachbögen setzen.
Dann wird es ernst. Stefan Potzinger und sein (mein) fleißiger Helfer Silab überreichen mir die Ausrüstung. Einen Wickeldraht (Spulen), da gleichzeitig mit dem Anbinden der Fruchtruten auch die Rebstämme am Metall-Pflanzpfahl, der bis 70 cm unter die Erde reicht, befestigt. Einen papierummantelten Draht, mit dem man die Reben an den Drähten fixiert (Danke an dieser Stelle an Wolfi Maitz, bei dem ich in der Binde-Not welche nachholen durfte!!). Solche „Rebenbefestiger“ gibt es natürlich auch schon elektrisch, aber wir sind da lieber oldschool-handwerklich unterwegs. Und natürlich eine Schere, um die verbliebenen Reben nach Bedarf zu kürzen.
Und dann der erste Schock, als mir Stefan den ersten Stock zurechtbiegt und bindet: Das knackst ganz schön! Mach ich da nicht jedes zweite Holz kaputt?? … Es ist – wie immer – Gefühlssache, bekomme ich zu hören. Und er hat recht. Mit ein bisschen Übung und ein paar gekonnten Griffen lassen sich die Reben in kürzester Zeit großteils nach meinem Belieben biegen.
Bei der Halbbogentechnik wird die Rebe zuerst vorsichtig über den Biegedraht gelegt und dann am darunter liegenden Befestigungsdraht (Cordondraht) befestigt. HIER seht ihr dazu eine Grafik, die das recht gut sichtbar macht. Stefan ermahnt mich, keine „Katzenbuckel“ zu produzieren, sondern schöne, weich abfallende Bögen. Dabei muss natürlich immer drauf geachtet werden, dass die Rebe nicht am Stock abreißt. Passiert das, sind das pro Rebe (bei zwei Reben pro Stock) rund eine halbe Flasche Wein weniger. Mir ist es insgesamt auf 0,33 Hektar viermal passiert. Zwei Flaschen. Schluchz.
Wichtig ist außerdem, die Rebe zwischen den beiden Drähten schon durch „Fädeln“ von alleine etwas zu fixieren und die kleinen Drähte sehr fest um die Rebe an den Cordondraht zu wickeln. Bei Bedarf sollte ein zweiter kleiner Draht am Biegedraht angebracht werden, damit wirklich alles sitzt. So ca. 10.000 Stück von den kleinen Dingern benötigt man übrigens pro Hektar. Und aufpassen bei Windstößen, das Zusammenklauben kann (aus eigener Erfahrung) mühsam werden!
Zwischen den Bögen sollte man rund 10-15 cm Abstand lassen. Nur in Ausnahmefällen bzw. Notsituationen (Bruchgefahr) darf man beim anbinden an den Cordondraht „überkreuzen“. Die verbliebenen Augen müssen dann noch mit der Schere gekürzt werden, nur ein Aug sollte unter der Fixierung stehen gelassen werden. Zu sehen auf den Fotos unten.
Abgerubbelt und eingenetzt
Und wie erwähnt werden gleichzeitig mit dem Binden der Fruchtruten auch die Befestigung der Rebstämme an den Metallpfahlen kontrolliert. Fehlt einer der beiden Wickeldrähte, wird nachjustiert. Im Zuge dessen wird dann auch noch durch leichtes Rubbeln die trockene Rinde von den Weinreben entfernt, damit es sich darin keine Schädlinge unbemerkt gemütlich machen. Man will im Ernstfall ja alles versucht haben.
Nach ein paar Tagen ist das Biegen, Binden, Schneiden und Abrubbeln dann schließlich erledigt. Auch dank toller Unterstützung meines Freunds Heri und meinen Freundinnen Natascha und Nadja, die als echte Grazer Mädels echte Landwirtinnen-Qualitäten aufzeigten.
Aber ganz fertig sind wir fürs Erste nicht. Zu guter Letzt werden noch die Netze über die Reben gespannt – einerseits als Schutz vor den Rehen, die in den kleinen Trieben bald ein herrliches Nachmittags-Jauserl sehen werden und andererseits natürlich als Schutz vor Hagel.
Fazit? Schön schaut er jetzt aus, mein Weingarten. Im Gegensatz zu meinen Fingern, die durch das Drähtebiegen den einen oder anderen Tropfen Blut verloren haben. Und Nagellack spart man sich in Zukunft auch einige Quadratzentimeter. Eh ein Vorteil quasi.