Verhüterli für die Knospen

Unglaublich, was man als Weinstock so alles mitmachen muss. Kaum ist die kalte Jahreszeit vermeintlich vorbei und die vorsommerlichen Sonnenstrahlen lassen die Knospen sprießen, ist die nächste Gefahr im Anmarsch. Oder besser im Anflug. Traubenwickler-Alarm! Was dagegen hilft? Verhütung! Sex-Verwirrung sozusagen … Ein Lokalaugenschein beim Weinboten-Wein in der Ried Kaltenegg.

Die Südsteiermark präsentiert sich diese Wochen von seiner schönsten Seite. Zumindest wettertechnisch. Die Sonne wärmt die Reben tagsüber, die Nächte sind kühl, Niederschlag gibt es kaum. Nur ein bisschen Angst hat man noch ob der einen oder anderen Frostnacht, aber es sollte 2020 alles gut gehen. Quasi von einem Tag auf den anderen sind die Knospen aus den Reben geschossen – ein wunderbares Naturspektakel, das Jahr für Jahr ein ganz besonderer Moment für alle Weinbauern ist.

Doch nur zurücklehnen und beim Wachsen zusehen ist jetzt auch nicht drinnen. Im April heißt es, erste Pflanzenschutzmaßnahmen für die Reben zu ergreifen. So auch in unserer Ried Kaltenegg vom Weingut Stefan Potzinger, wo ja unser Weinboten-Wein auf 0,3 Hektar wächst.

Objekt der Nicht-Begierde ist zunächst einmal der Traubenwickler. Dieser ist derzeit der bedeutendste Schädling im Weinbau. In Österreich treten zwei Traubenwicklerarten auf: der Einbindige Traubenwickler und der Bekreuzte Traubenwickler. Beide Arten können auch in einer Mischpopulation vorkommen. Es handelt sich um Schmetterlinge aus der Familie der Wickler.

Beide Traubenwicklerarten bilden zwei Generationen im Jahr: den sogenannten Heu- und Sauerwurm. Nur in warmen Gebieten bzw. sehr warmen Jahren ist auch eine dritte Generation im September (Süßwurm) möglich. Der Einbindige Traubenwickler hat pro Generation eine etwa zwei bis fünf Wochen andauernde Flugzeit mit deutlichem Flughöhepunkt. Beim Bekreuzten Traubenwickler gehen die Flugzeiten der einzelnen Generationen oft ineinander über und können nicht immer getrennt werden. Die Puppen beider Traubenwicklerarten überwintern unter der Borke des Rebstockes (deswegen haben wir im Winter die Rebstöcke auch immer so gut es ging „abgerubbelt“). Der Flug, die Paarung und die Eiablage bei beiden Wickler-Arten finden vor allem in den Abendstunden statt.

Der Heuwurm (1. Generation) tritt ca. Ende Mai bis Ende Juni auf und verursacht durch seine Fraßtätigkeit an den Gescheinen (Blütenstand der Weinrebe) ausgehöhlte Blütenknospen. Auffallend sind die Gespinste, die von den jungen Raupen als Schutz um die Blütenknospen gesponnen werden. Der Sauerwurm (2. Generation) führt Ende Juli bis Anfang August durch die Fraßtätigkeit der Raupen in den heranwachsenden Beeren zu Einbohrlöchern, wodurch die Beeren anfälliger für Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea) werden.

Was heißt das nun für unseren Weinboten-Wein? Richtig! Traubenwickler bekämpfen!

Sexuelle Verwirrung als Vorbeuge

Die Bekämpfung kann einerseits mit Insektiziden laut zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt (bespritzt) werden. Das muss dann rund zwei bis drei Mal pro Jahr passieren. Schonender und biologischer ist aber unsere Methode, die mittlerweile von vielen steirischen Weinbaubetrieben (egal, ob biologisch oder konventionell bewirtschaftet), verwendet wird: das Verwirrungsverfahren!

Mittels Sexuallockstoffen (Pheromonen) kann eine biotechnische Bekämpfung beider Traubenwicklerarten durchgeführt werden. Direkt bei den Reben (die Fläche sollte ein geschlossenes Areal von mindestens 4 Hektar bilden, daher sollte es ein nachbarschaftliches „Gemeinschaftsprojekt“ sein) werden dafür Pheromonquellen (Pheromondispenser) aufgehängt, die eine Pheromonwolke aufbauen und die Duftspuren der Weibchen überlagern. Die Männchen sind desorientiert und kaum noch in der Lage, die Weibchen zu finden (Konfusionsmethode). Damit wird die Anzahl der Begattungen und letztlich die Zahl der Würmer reduziert. Sozusagen ein Verhüterli, damit sich die weiblichen und männlichen Traubenwickler nicht paaren können. Fies.

Die Ausbringung dieser kleinen, roten Drähte muss vor Beginn des Falterschlupfs erfolgen, also meist im April. Die Montage erfolgt am Biegedraht oder am nächst höher gelegenen Draht. Der Randbereich der Pheromonfläche muss je nach natürlichen Gegebenheiten in einer Breite von mindestens 5–20 m gut behängt werden (siehe Darstellung unten). Die Dispenser verdunsten den Lockstoff über einen Zeitraum von etwa 3 Monaten, aber natürlich muss zwischendurch immer wieder ein möglicher Befall geprüft werden. Bei dieser Verwirrungstechnik handelt es sich übrigens um ein selektives Pflanzenschutzverfahren, andere Insekten werden durch die Pheromone nicht beeinflusst.

So, damit sollten nun sämtliche Sex-Spielchen im Weingarten fürs Erste erledigt sein. Die Knospen dürfen weiter ungestört wachsen und gedeihen. Nur kein Frost, das wäre jetzt fatal. Eine spannende Zeit …