Sommerfrisur für die Reben
Kaum wurde es nach dem Binden und Verhüterli-Anbringen ein paar Wochen ein bisschen ruhiger im Weingarten (abgesehen von den ersten Pflanzenschutzmaßnahmen), geht es im Mai auch schon wieder richtig los. Ausbrechen – oder auf gut steirisch: ausbrocken – steht am Programm. Mit dem Frühjahrsschnitt wird den Reben eine „Sommerfrisur“ verpasst, die nicht nur optisch was her macht, sondern vor allem praktisch gesehen wichtig ist.
Bei diesen herrlich sonnigen letzten Wochen in der Südsteiermark, mit nur mäßigem Regen, ist es kein Wunder, dass die Triebe in den Weingärten nur so sprießen. Man konnte ihnen förmlich dabei zusehen … Jetzt, Mitte Mai, steht daher die nächste wichtige Arbeit an: das Ausbrechen der Reben, der sogenannte Frühjahrsschnitt.
Das Ausbrechen erfolgt, wenn die Neutriebe ca. 10 bis 30 cm lang sind. Also zu einem Zeitpunkt im Frühjahr, wo der Weinstock für Laien noch überschaubar ist. Für Laien wie mich also. Überschaubar ist dennoch relativ, wenn man das erste Mal an diese Arbeit herangelassen wird.
Gott sei Dank stehen mir auch diesmal in „meinem“ Weingarten (Gelber Traminer, Ried Kaltenegg im wunderschönen Sulztal), Capo Stefan Potzinger und sein sympathischer Mitarbeiter Silab zur Seite und erklären mir im Schnellverfahren alle wichtigen Punkte.
Zunächst werden die Hagelnetze aufgerollt, um leichter arbeiten zu können. Dann werden auf jedem Stock alle „Wasserschosse“, also die Triebe, die quasi ungewollt aus dem alten Stammholz, ausgebrochen. Dabei werden sie durch seitlichen Druck abgestreift oder an der Basis gefasst und ausgerissen. Wasserschosse sind für die Weinreben irrelevant, da sie keine Trauben tragen. Außerdem kosten sie nur unnötig Kraft. In Zuge dessen wird der alte Stamm auch gleich geputzt, also „abgerubbelt“, um etwaige Schädlinge am Einnisten zu verhindern. „Einfach wie einen Hund streicheln, das mag er“, lacht Stefan.
Dann geht es auch schon einen Stock höher, wo sich auf den zu Halbbögen gebundenen Reben viele, schon recht lange, satt-grüne Triebe nach oben empor strecken. Diese gilt es nun zu „durchlüften“, damit die Laubwand genug Luft und Sonne abbekommt. Damit kann man Pilzkrankheiten entgegenwirken. Wichtig ist außerdem ein optimales Blatt-Frucht-Verhältnis, das eine hohe Zuckereinlagerung in die Trauben gewährleistet. Das heißt: nur ca. alle 10 Zentimeter sollte ein Trieb stehen, mehr wäre für die Erzeugung von Topqualität nicht förderlich. Schließlich geht es mir in „meinem“ Weingarten ja um Qualität und nicht um Quantität. Natürlich ganz der Philosophie des Weinguts Potzinger entsprechend, das mit diesem Traminer bereits AWC-, Kleine Zeitung-, Landessieger war. Stefan Potzinger: „Ziel ist ein Ertrag von rund 8000 kg pro Hektar im Durchschnitt in allen Weingärten. Beim Traminer ist es ein bisschen weniger, denn das ist eine Sorte mit relativ kleinen Trauben. Da wiegt ein Stück nur rund 100 g. Eine Muskateller-Traube hingegen hat das doppelte Gewicht.“
Stück für Stück
Jetzt aber in medias res. Rebe für Rebe wird nun untersucht und Stück für Stück beschlossen, welche „Sommerfrisur“ für diesen Abschnitt die beste sein könnte. Zunächst werden alle unfruchtbaren Triebe („Kümmertriebe“), also alle ohne Gescheine (der längliche, rispenartige Blütenstand der Weinrebe, aus dem später die Trauben entstehen), ausgebrochen. Auch alle Doppel- oder Mehrfachtriebe aus einer Knospe kommen weg – natürlich der jeweils schwächere bzw. jener ohne Gescheine. Ist eine Rebe zu dicht oder unförmig mit Trieben gewachsen, wird ebenso ausgedünnt, um die oben genannte Top-Qualität nicht zu beeinträchtigen.
Auch einzelne Blätter werden abgezupft, um mehr Licht, Luft und Wärme zu den Trauben in spe zu bekommen. „Weißt du, ich stelle mir die Blätter immer wie Sonnenschirme vor“, erklärt mir Silab. „Sie sollen ein bisschen Schutz vor praller Sonne und Regen geben, aber sie sollen nicht das ganze Licht nehmen. Dementsprechend musst du ausbrocken.“ Klingt logisch und praxisnah. So mag ich das. Stefan formuliert es natürlich professioneller: „Meist kann man ein Blatt zwischen den Gescheinen entfernen. Aber gerade Traminer sollte man nicht zu weit ausdünnen. Es gehört wirklich viel Gefühl und Vorsicht zu dieser Handarbeit dazu. Die Triebe sind jetzt noch sehr empfindlich und brechen leicht ab.“
Und wie könnte es anders sein: auch bei dieser Tätigkeit ist es wichtig, wieder in die Zukunft zu denken. Mindestens ein stammnaher, neuer Trieb für den nächsten Winterschnitt sollte immer übrig gelassen werden. Gar nicht so einfach … Ich hoffe, ich habe die richtigen erwischt. Wird man eh sehen.
Wenn die Triebe lang genug sind, werden sie jetzt auch gleich in die Drahtpaare „eingefädelt“, schließlich sollen sie ja nach oben wachsen und nicht an den Trauben anstoßen. Ansonsten fällt diese Arbeit dann wieder in ein paar Wochen an. Und auch im Sommer wird das Ausbrechen wiederholt, bei Traminer wohl noch ein bis zwei Mal. Aufgrund der beginnenden Verholzung muss dann aber vielleicht schon geschnitten statt gebrochen werden.
Wie es im Weingarten-Jahr nun weiter geht, seht ihr HIER!
Stay tunned 🙂