Anders als die anderen

Wer auf der Suche nach ausgefallenen Menschen und Weinen ist, wird im oststeirischen Markt Hartmannsdorf fündig. Gottfried Lamprecht, sein Herrenhof und die Weine sind ein Erlebnis für sich. In welche Richtung darf jeder selbst entscheiden. Der Herrenhof ist ein altes, ehemaliges Weingut des Stiftes von Vorau und wurde Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut, ehe ihm 2006 durch den jungen Winzer neues Leben eingehaucht wurde. Da wurde der erste Weingarten wieder am Buchertberg ausgepflanzt.

Der Marsch durch den Hof ist beeindruckend. Allen voran die Kellerführung. Mit unfassbarer Einfachheit und Reduziertheit führt Lamprecht durch seine uralten Räumlichkeiten. Mit genügend Informationen versorgend, aber kein Wort zu viel sprechend. Unser Herz blühte beim Anblick der vielen Holzfässer (und beim Fehlen von Stahltanks) auf – leichte, frische Weine sind nicht seins. Meine auch nicht zwingend, nur so ein Detail am Rande.

Seine Weine dürfen im Holz reifen, im Idealfall kommen sie erst im Jahr darauf an den Mann/die Frau. 50 % der Fässer stammen aus Holz vom eigenen Eichenwald. Als Fassgrößen werden ausschließlich die alten Transportgrößen, die in der Steiermark üblich waren, verwendet. Dazu zählen das halbe Startin- (300 l) und das ganze Startin-Fass (600 l). Produziert wird biologisch, aber noch nicht alle Weine sind fertig zertifiziert, da sich die Rebfläche alljährlich vergrößert hat. Lamprecht war einer der ersten, der sich 2007 mit dem biologischen Anbau von Wein in der Steiermark beschäftigte.

Charta trifft Freestyle Wine Growing

Gottfried Lamprecht ist vielleicht ein Träumer, manche sagen wohl auch ein Sturschädel oder Spinner – aber er ist vor allem eines: ein Vorreiter. Er bringt genau sieben Weine auf den Markt. So wie er gerade will. Punkt. Freestyle trifft alte Handarbeit. Ganz nach seinem Motto „Artisan Handcrafted Wines & keine Kompromisse“ arbeitet er mit der Natur. Er lässt spontanvergären, lange auf der Maische bzw. Hefe, schwefelt so wenig wie möglich und zelebriert den gemischten Satz in einer Raffinesse, dass sich so mancher Kollege aus der Bundeshauptstadt ein Trauberl abschneiden kann.

Weil Normalsein nicht in sein Konzept passt und Qualität fanatisch verfolgt wird, hat Lamprecht eine eigene „Herrenhof Charta“ entwickelt. Sozusagen selbst auferlegte Verpflichtungen und Regeln für die Weinproduktion. Da geht es um Ertragsreduktion auf maximal 45 hl/ha, Bodenerhaltung statt Esoterik oder späte Verkaufsstarts. Hier nachzulesen, wenn es im Detail interessiert.

Ach ja, er redet auch immer wieder von „Freestyle Wine Growing“, das für ihn so viel heißt wie biologisch im Sinne der Nachhaltigkeit zu arbeiten. „Der Rest steht mir absolut frei“, betont er. „Und ich pfeife auf ,cool‘. ,Cool‘ ist ,konservativ in schwarzer Kleidung‘. Ich brauche keine Begriffe wie biodynamisch oder religiöse Bio-Ansichten. Frei zu arbeiten, frei zu handeln und frei zu sein hat mir erst ermöglicht die Arbeit vor Ort wichtig zu nehmen und alle theoretischen Richtlinien dieser Welt Richtlinien sein zu lassen.“ Eins muss man ihm lassen: authentisch ist er. Mainstream sucht man hier auf vielen Kilometern Umkreis vergebens. Und wohl nicht umsonst „Ausnahmewinzer des Jahres 2018“ von Gault Millau.

 

Alt, aber gut

Nun aber zu seinen Weinen. Seine große Faszination sind alte Rebsorten, die teilweise seit Jahrhunderten verschwunden waren. Rund 100 verschiedene gedeihen auf seinen neun Hektar. Darunter spannende wie Furmint oder unbekannte wie der Blaue Heunisch oder Weiße Orléans.

Die gesamte Rebfläche befindet sich am Buchertberg, einer großen Südsüdosthanglage direkt vor dem Hof, im Familienbesitz befindend. Das Potential am Buchertberg beträgt rund 14 ha, das ist auch eines Tages sein Ziel. Die Böden am Herrenhof bestehen hauptsächlich aus Sand und Sandsteinverwitterungsgestein. Die Rotweinrebsorten wachsen vor allem auf braunem Opok.

Die Arbeit im Weinkeller wird von Gottfried Lamprecht so einfach und natürlich wie möglich gehalten, der Weinwerdungsprozess wird großteils sich selbst überlassen. Das bedeutet, die Moste vergären nach dem Pressen spontan in 300-l- und 600-l-Fässern (nach längerer Maischestandzeit). Alkoholische und malolaktische Gärung passieren spontan im Holzfass. Der Wein reift dann weitgehend bis zur Abfüllung auf der Feinhefe. „Das bringt Struktur, Tiefe und Länge“, wie er sagt. Die Weine werden bewusst lange ausgebaut, nach 9 bzw. 18 Monaten werden die Weine meist ohne Filtration und Schönung abgefüllt.

Warum aber sieben Weine? „7 ist die vollkommene Zahl in unserer mitteleuropäischen Mythologie. Es steht für Himmel und Erde – und damit arbeite ich tagtäglich. Andererseits wollte ich mich ohnehin beim Weinangebot beschränken. Das wenige, was ich mache, soll außergewöhnlich sein.“

Und das ist es. 2013 reichte er zuletzt für die staatliche Prüfnummer und die Bezeichnung „Qualitätswein“ ein. „Meine Weine passen da nicht rein. So verändern kann und will ich sie gar nicht, dass sie eine Prüfnummer bekommen müssen.“ Wie schon erwähnt sind vor allem gemischte Sätze und alte Rebsorten seine Handschrift. Schwierig für das System.

Sieben

Die Einstiegsdroge ist der „Sand & Kalk“, ein gemischter Satz aus 85 % Weißburgunder und 15 % Grauburgunder/Chardonnay. Vielschichtig, lang, unglaublich fein, mit eleganter Säure und nur dezentem Holz. Um leichte € 10 ab Hof. Die Reserve-Variante davon hat natürlich schon mehr Power – reifer Weingartenpfirsich, Marille und Röstaromen machen sich am Gaumen breit. 20 Monate im Holz, das merkt man.

Spannend ist der „Furmint vom Sandstein“. Diese alte, hochwertige Sorte (von der es in ganz Österreich nur 10 ha gibt, Lamprecht besitzt davon 1 ha) ist überraschend frisch mit viel Zitrus und Blütenaromen. Elegant und fein.

Unser Liebling ist dennoch der „Buchertberg Weiss 2015“. Schon allein aus dem Grund, weil ich es liebe, Geschichten zu erzählen. Und der hat eine. Er bietet nämlich quasi „Best of Herrenhof“ – heißt: rund 70 Rebsorten (ja, auch die Rotweine) sind in dieser Flasche. Ein gemischter Satz par excellence. So geht der eigentliche Terroir-Wein. Was soll man über den Geschmack sagen … Eine Kombination aus allen erdenklichen Aromen, die dennoch eine Einheit und Rundheit ergeben. Vollmundig, strukturiert, richtig lagerfähig. € 17 – probieren!

Der „Schrammelberg“ (ein Nebenprojekt) hat 2016 leider ausgelassen, dafür wurde die Ernte 2017 umso besser. In nur einem Barrique-Fass reift dieser traditionelle Tropfen aus ca. 15 Rebsorten von einem der ältesten Weingärten der Steiermark (fast 90 Jahre).

Die beiden Roten im Repertoire, „Buchertberg Rot“ (90 % Blaufränkisch) und „Pinot Noir vom Opok“ bestechen auch durch den typischen Herrenhof-Stil, können für uns aber noch nicht ganz zu den weißen Brüdern aufschließen.

Soviel zu den sieben Weinen. Dass es dazu immer wieder mal Begleiter gibt, wie zum Beispiel den „Buchertberg On The Skins“ (20 Tage auf der Maische, ein Orangewein in der Tonflasche), den Pet Nat (in der Flasche naturvergorener Sprudel, ab Juni 2018) oder einen Pinot Noir Rosé (natürlich auch aus dem Holz), sind spannende Akzente seiner straighten Linie. Ab Dezember 2019 gibt es sogar wieder Schaumwein, den Crémant de Herrenhof, wie er ihn nennt.

Was könnte man abschließend noch alles sagen. Ich mag ja Menschen, die provozieren und anders sind. Und die ihre Meinung sagen und ihren Weg gehen. Gottfried Lamprecht macht dies auf seine Art und Weise – die sympathisch ist und noch dazu auffallende Weine hervorbringt. Gut gemacht, weiter machen!

Kontakt:

HERRENHOF LAMPRECHT
Pöllau 43
8311 Markt Hartmannsdorf
0699/17149689
office@herrenhof.net
www.herrenhof.net

 
Text: Christina Dow
Fotos: Bernhard Bergmann