V. l.: Holger Massner, Manuel Liepert, Roland Tauss, Bastian Kaltenböck, Christian Söll
Verboten goed
„Tischlein deck dich“ von Liepert’s Kulinarium @ Goedwinemakers am Sernauberg, powered by Roland Tauss. Alter Schwede, kann nur geil werden! Dachten wir uns auch – und nutzten diesen besonderen Abend für einen Blick hinter die holländisch-salzburger-steirischen Kulissen.
Kitschig, kitschiger, Sernauberg. So könnte man diesen Weinhügel unweit von Gamlitz mit beeindruckender Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen wohl beschreiben. Und mitten drin – oder besser gesagt darauf – befinden sich die Goedwinemakers. Nein, kein Rechtschreibfehler. Die heißen wirklich so. Sind ja schließlich Holländer. Aber alles der Reihe nach.
Nachdem das Weingut weder Buschenschank noch Wirtshaus oder Gästezimmer beheimatet, freut man sich natürlich immer doppelt, wenn die Goedwinemakers zu etwas Besonderem laden. Sei es der „Kostbare Sernauberg“ im Frühling, der „Tag der offenen Kellertür“ im Sommer oder das „Tischlein deck dich“, das zweimal im Jahr (Juni und August) auf der wunderschönen Terrasse stattfindet. Abermals kitschige Sonnenuntergänge bei allen Events inklusive.
Und so nahm sich der Weinbote gestern Abend, 30. August 2018, die Zeit, dem Genuss zu frönen und beim zweiten „Tischlein deck dich“ in diesem Jahr dabei zu sein. Die Idee dieses exklusiven Wein-Dinners entstand 2014 und stammt von Manuel Liepert, seines Zeichens Zwei-Hauben-Koch im Liepert’s Kulinarium in Leutschach. Seit letztem Jahr hat er mit dem Weingut Goedwinemakers nicht nur die ideale Dinner-Location gefunden, sondern auch eine Adresse, die seine Philosophie im Umgang mit Lebensmitteln voll und ganz teilt. „Regionalität steht bei uns im Vordergrund, es ist uns enorm wichtig, wo das Produkt herkommt und wie es verarbeitet wird. Genauso arbeitet man auch hier bei den Goedwinemakers, das verbindet uns. Dazu kommen noch die perfekte Infrastruktur und die wunderbare Lage“, schwärmt Manuel Liepert gleich zu Beginn der Veranstaltung. Begleitet wird sein 5-Gang-Dinner nicht nur von den hauseigenen Weinen, sondern seit heuer auch jeweils von einem anderen Gastwinzer. „Im Juni durften wir Matthias Schnabl bei uns begrüßen, heute ist es Roland Tauss aus Leutschach“, freut sich Jung-Hausherr Bastian Kaltenböck.
Holländer, Salzburger, Steirer?
Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, warum der Hausherr offensichtlich keinen holländischen Namen besitzt!? Dafür müssen wir kurz ausholen. Der Salzburger Uli Kaltenböck – Vater von Bastian – lernte vor rund 25 Jahren während seiner Tätigkeit als Sommelier am Arlberg die Goedmakers, eine Unternehmerfamilie aus Holland, kennen. Ton und Monique Goedmakers wiederum sind seit jeher Weinfreunde, um nicht zu sagen Weinfreaks, und waren von Ulis Kenntnissen und Herzlichkeit sofort angetan. Über die Jahre hinweg entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Familien – bis schließlich Ton einen Auftrag erteilte: Uli sollte für ihn in Österreich ein Weingut finden. 15 Jahre später war es dann soweit – am südsteirischen Sernauberg stand ein Weinbaubetrieb zum Verkauf. Und wenige Wochen später gehörte es auch schon der Familie Goedmakers – mit dem Handshake, die Familie Kaltenböck müsse (dürfe) sich darum kümmern und Spitzenweine produzieren. Ein Traum ging für alle Beteiligten in Erfüllung. Der Rest ist Geschichte – es wurde umgebaut, ein perfekter Name gefunden, viele Weinkenntnisse erworben, Top-Mitarbeiter gefunden und 2011 der erste Jahrgang produziert. Und mittlerweile ist auch Bastian Kaltenböck, ein ehemaliger Profi-Skiflieger, längst vom Wein-Virus infiziert und wichtiger Teil des Unternehmens. So kam es jedenfalls, dass die Goedwinemakers „Die Holländer unter den Steirern“ und die Kaltenböcks mit viel Liebe, Leidenschaft und Herzlichkeit mehr als nur Wahl-Südsteirer wurden.
Zurück zum gestrigen Event. Rund 30 Gäste waren an diesem sonnigen (und später doch noch leicht verregneten) Abend gekommen, mehr nimmt man auch nicht auf. Kaltenböck: „Die Plätze für das ,Tischlein deck dich‘ sind limitiert – es soll schließlich eine kleine, feine Exklusivveranstaltung, die besondere Momente schafft, bleiben“, erklärt Bastian Kaltenböck.
Schon der Empfang durch das Liepert’s-Team Lisa Kürbisch und Holger Massner war dank des eingeschenkten Rosé-Sekts 2014 von Roland Tauss (Zero Dosage, schwefelfrei, flaschengegoren) ein echtes Highlight. Damit zeigte der Demeter-Winzer aus Schlossberg bei Leutschach, wie grandios und animierend ein Rosé sein kann: „Wir arbeiten auf unseren 6 ha biologisch-dynamisch, das heißt ganzheitlich und im harmonischen Gleichgewicht mit der Natur. Wir verwenden zur Bewirtschaftung ausschließlich natürliche Präparate, damit sich die Lebensenergie der Trauben schließlich auch im Glas wieder findet.“
Danach ging es abwärts
Aber nicht mit der Qualität, sondern in puncto Höhenmeter. Der junge, sympathische Kellermeister des Hauses, Christian Söll, erklärte im Weinkeller auf leicht verständliche und souveräne Art und Weise kurz die Philosophie des Weinguts und die Machart der Weine. Dazu gab es eine Fassprobe des Sauvignon Blancs 2017 aus dem Stahltank. Ein Wein, der in anderen Weingütern womöglich schon in der Flasche wäre. Aber nicht so bei den Goedwinemakers. Denn hier kommen die Weine meistens erst ein Jahr später in die Flasche – sprich: im Mai 2019 ist es Zeit für den 2017er Jahrgang. Nur der Muskateller (der den lustigen Namen „Statt Tulpen“ trägt) ist bereits im Verkauf. Außerdem wird in dem 6 ha großen Weingut alles spontanvergoren und man befindet sich gerade im zweiten Jahr in Umstellung auf biologischen Weinbau. „Dadurch werden wir bei der Ernte 2018 auch rund 50 – 70 % Verlust haben“, erklärt Söll, „aber da müssen wir durch. Den meisten biologisch bewirtschaftenden Betrieben ist es heuer durch den Dauerregen im Frühjahr so ergangen. Die Qualität der verbleibenden Trauben wird aber hervorragend, die Säure blieb optimal erhalten. Wir dürfen uns auf einen tollen Jahrgang freuen!“ Der Sektgrundwein wurde bereits gelesen, in rund zwei Wochen ist der Muskateller dran.
Apropos Qualität. Dass diese bei den Goedwinemakers nicht nur groß, sondern auch fett und unterstrichen geschrieben wird, dürfte mittlerweile logisch erscheinen. Das Hauptaugenmerk liegt zunächst einmal auf der Arbeit im Weingarten. Das Traubenmaterial muss von höchster Qualität sein, alles andere wäre inakzeptabel. Denn wie sagte Christian Söll zu Beginn so schön: „Ich als Kellermeister kann dann nichts mehr besser machen, ich kann nur mehr retten.“ Und das will man natürlich vermeiden.
Bei der Ernte (die zugunsten der Temperatur stets nur bis Mittag dauert) werden die Trauben handverlesen und nur in kleine Kisten gelegt, nicht in die großen Lesekisten geworfen. „So ist die Verarbeitung noch schonender“, so Söll. Nach der zweiten Handauslese am Rüttelpult werden die Trauben einen Stock tiefer in die Pressen befördert. Richtig: Pressen, Mehrzahl. „Wir haben den Luxus, gleich zwei Weinpressen zu besitzen. Das ist optimal, um die Trauben schnell zu verarbeiten und die höchste Qualität zu erhalten. Bei nur 1 Bar Druck werden die Trauben in 6 bis 8 Stunden gepresst und der Most fließt sofort einen Stock tiefer in die Tanks ab. Beide Pressen sind nur rund 10 Tage im Jahr in Betrieb.“ Die Trester-Rückstände werden kompostiert und wieder im Weingarten ausgebracht – bis auf einen kleinen Teil davon, aus dem Tresterbrand gemacht wird.
„Die spontane Angärung der Weine erfolgt zunächst in den Stahltanks. Hier wird nicht eingegriffen – nur die Temperatur wird zur besseren Kontrolle der Gärung gesteuert“, erklärt Christian Söll, der seit dreieinhalb Jahren im Haus wein-verantwortlich zeichnet. „Nach einem Drittel der Gärung kommen ca. 80 % der Weine in die Holzfässer, nur der Muskateller, der Rosé und ein wenig vom Sauvignon Blanc bleiben im Stahltank.“ Holz ist überhaupt eines der Lieblingsmaterialen der Familie, viele Jahrzehnte werden die Fässer hier verweilen dürfen. „Wir arbeiten gerne mit großen und kleinen Fässern, versuchen aber den Geschmack des Holzes nicht in den Vordergrund drängen zu lassen. Wir wollen den Charakter der Trauben und des Bodens unverfälscht in die Flaschen bringen. Das gelingt uns mittlerweile sehr gut“, freut sich Söll, während die Gäste die Fassprobe in ihren Gläsern schwenken und erste, kleine Fingerfood-Happen aus der Liepert’s-Küche genießen. „Dadurch, dass wir spontanvergären und Schwefel nur in geringen Mengen und möglichst spät zusetzen, sind natürlich jedes Fass und jeder Tank anders. Manche reifen schnell, manche langsam, andere bleiben sehr lange verhalten und entwickeln sich erst spät. Wir gehen dabei auf jeden Wein individuell ein und geben ihm die Zeit, die er braucht. Rund eineinhalb Jahre bleibt bei uns fast jeder Wein im Keller. Dann landet er filtriert oder manchmal auch unfiltriert in der Flasche.“
Das Tischlein deckt sich
Höchste Zeit, an den Tisch zu gehen und in vollen Zügen zu genießen. Mit einer Riesenportion Vorfreude und Aquaplaning am Gaumen setzen wir uns an den Tisch und wurden sofort von einem optischen Highlight begrüßt: das Amuse Guele (Saibling und Beef Tartar) wurde kunstvoll auf einem alten Weinstock serviert. Im Glas landeten dazu der „Tulpen-Ersatz“ 2017 von den Hausherren und der Welschriesling vom Opok 2017, Roland Tauss. Ein hausgemachtes Roggen-Vollkorn-Vintschgerl mit Bauernbutter, Radieschen und Lardo wurden sofort nachgereicht.
Dazu passte auch hervorragend der erste Gang, ein kalter Gebirgssaibling von „Michi’s frischen Fische“ (ein genialer Fischlieferant aus dem Naturpark Mürzer Oberland) mit Erdnüssen, Gurke, Radieschen und Honigsenf. Abartig genial im Geschmack war der nächste Gang – die cremige Steinpilzsuppe mit pochiertem Ei und Hollandaise. Hier noch zwei, drei Hobel Trüffel darauf (diese sollten dann später noch kommen) und es wäre mit Abstand unser Gericht des Jahres geworden! Dazu wieder die Goedwinemakers-Tauss-Korrespondenz im Glas: Sauvignon Blanc Ried Sernau 2016 („Verboten Goed“) und Grauburgunder – H – 2016 (maischevergoren). Saugut. Goed. Oder was auch immer.
Immer noch die Steinpilzaromen am Gaumen suchend kam dann auch schon der Hauptgang – ein butterzartes Beiried, ganz klassisch gebraten, mit heimischem Saisongemüse und Café de Paris-Butter. Die Weinbegleitung dazu kam in zwei Akten: Zunächst wurden gemeinsam der Morillon Ried Sernau (ebenso unter dem Titel „Verboten Goed“) und das Flagschiff der Goedwinemakers, der TOMO Cuvée 2015 („Van den Besten“), eingestellt. Großes Kino.
Danach ging es biologisch-dynamisch weiter – von Tauss landeten der Rote Traminer – H – 2016 (maischevergoren, unser Tauss-Liebling des Abends!!) und der Cuvée Urban 2007 (Merlot und Cabernet Sauvignon) in den Gläsern. Genial dazu der Käsegang: Mini-Tisch-Raclettes vom Taleggio mit Tomate-Trüffel-Ciabatta.
Den kulinarischen Abschluss bildete ein Schokoküchlein mit Rotem Weingartenpfirsich und Joghurtschaum. Super ergänzt durch eine TBA vom Tauss’schen Grauburgunder 2000 und dem hausgemachten Grüne Walnuss-Likör der Steirer-Holländer-Salzburger-Fraktion.
Aber Schluss war dennoch noch lange nicht. Das Fachsimpeln und Weiterkosten an der Bar dürfen an so einem Abend nicht fehlen. Da probiert man dann noch „verboten goede“ Sachen wie den Weißburgunder Sernau 2015 oder einen 1968er von Altweinexperte Holger Massner. Und wir erfahren von Bastian Kaltenböck, dass hier 2019 wieder zwei „Tischlein deck dich“ von Manuel Liepert und Gastwinzern angedacht sind. Mit so vielen guten Nachrichten, sensationellen Speisen und großartigen Weinen im Bauch verlassen wir die Familie am Sernauberg schweren Herzens wieder. Und wenn wir von „Familie“ sprechen, meinen wir die Goedmakers und die Kaltenböcks. Denn selten schaffen es zwei Familien von (relativ) weit her,, durch ihre gemeinsame Leidenschaft zu einer (südsteirischen) Familie zu verschmelzen. Herz, was willst du mehr. Ein Glas TOMO vielleicht.
Text: Christina Dow
Fotos: Christina Dow, Stefan Mayrhofer