Jetzt wird’s ernst!
An vielen Orten hat die steirische Weinlese 2020 bereits begonnen – und auch unser Weinbote-Wein auf der Ried Kaltenegg liegt bereits im Reife-Endspurt! Wir waren mit Stefan Potzinger vor Ort und entnahmen Beerenproben, um Säure- und Zuckergehalte zu messen. Die Conclusio daraus? In zwei Wochen könnte es auch bei uns so weit sein!
Die letzten Wochen, eigentlich Monate, waren geprägt von unterschiedlichen Arbeiten im Weingarten bzw. an den Stöcken. Vom Pflanzenschutz über das Ausbrocken einzelner Blätter oder Trauben und Druckluftbearbeitung bis hin zum Einsatz mit Stockräumgeräten. Bei letzterem werden Gräser, Blätter & Co. unterhalb der Traubenzone mechanisch entfernt. In der Steiermark wird dies noch eher selten verwendet und muss sich auch erst bewähren – schließlich muss man sehr darauf achten, keine tieferliegenden Trauben zu verletzten.
Jetzt – Ende September – gilt der Fokus aber voll und ganz den Trauben. Wunderschön sehen sie heuer aus, unsere Gelber-Traminer-Beeren der Ried Kaltenegg des Weinguts Potzingers, aus dem ja unser erster Weinbote-Wein entsteht. Keine Spur von Botrytis oder sonstigen Krankheiten. Sie glänzen in sattem Grün-Gelb und schmecken bereits hervorragend. „Das ergäbe jetzt einen richtig guten Traubensaft“, wirft Stefan Potzinger ein, als wir durch den Weingarten schlendern und uns die eine oder andere Traube einverleiben. Aber Saft – das wollen wir natürlich nicht. Zumindest keinen unvergorenen 😉 Unser Objekt der Begierde ist ein richtig guter Riedenwein, trocken ausgebaut, mit ausdrucksstarker Aromatik. Und dafür müssen die Beeren natürlich eins sein: perfekt reif!
Was ist aber nun „perfekt reif“? Der Begriff ist natürlich dehnbar und bei jedem Weingarten, bei jeder Rebsorte und bei jeder Ausbauart anders zu verstehen. Wichtig in der jetzigen Phase sind zunächst einmal die Beerenmuster. Wir spazieren quer durch die Weingartenreihen und entnehmen immer wieder eine Beere von den Trauben. Quer durchgemischt – und nicht immer nur die schönsten. „Es ist ganz wichtig, dass man von allen Seiten und Traubenzonen entnimmt“, erklärt Stefan. „Schließlich wollen wir ja den Durchschnitt der Reife bestimmen. So wird ja dann auch gelesen.“ Grundsätzlich wird von der Nordseite der Weinzeilen gearbeitet, denn dort befindet sich mehr Feuchtigkeit an den Trauben und dort erkennt man damit rechtzeitiger etwaige schlechte Beeren.
Die einzelnen Beeren, die wir sammeln landen in einem kleinen Plastiksackerl, in dem sie dann unversehrt den Weg zum Weingut schaffen, um dort analysiert zu werden. Wichtig ist es, den Zuckergehalt der Trauben im Auge zu behalten. Denn gelesen wird bei höchster Qualität, nicht bei höchstem Zucker! Stefan: „Die Ried Kaltenegg ist allgemein eine kühlere Riede, das passt super für den Gelben Traminer. Bei dieser Rebsorte ist die Säurestruktur und die Frische extrem wichtig.“
Wie viele von euch vielleicht wissen wird der Zuckergehalt der Beeren in Österreich in der Mostgewicht-Einheit KMW (Klosterneuburger Mostwaage) angegeben. Zur Bestimmung verwendet man ein Refraktometer, mit dem man in wenigen Sekunden den Zuckergehalt des Weinmosts und damit den potentiellen Alkoholgehalt vom erzeugten Wein messen kann. Zur Messung tropft man ein paar Tropfen des Beerensafts auf das Prisma, anschließend blickt man durch das Winzerrefraktometer und sieht sofort den Zuckergehalt auf der Skala. „Unser Ziel sollte sein, die Beeren rund um die 19 KMW zu lesen. Diese Zahl multipliziert man mit 0,65, das ergibt dann ca. den Vol.%-Alkoholwert im fertigen Wein“, klärt mich Stefan auf und ich nicke, weil ich hier ohnehin fachlich nicht wiedersprechen könnte. Ich multipliziere geistig und komme auf knapp 13 Vol.% Alkohol. Das würde passen denke ich. Schließlich soll mein Weinbote-Wein von Frische, Mineralität und Eleganz geprägt sein. Keine Alkoholbombe und schon gar nichts mit Restsüße.
Ein bisschen schlendern wir noch durch den Weingarten und kontrollieren und kosten weiter. Schließlich stoßen wir sogar auf einen Stock Roter Traminer, der sich munter zwischen seinen gelben Kollegen platziert hat. Wie so etwas passieren kann? „Vielleicht war es eine Spontanmutation oder wir mussten einen Stock nachsetzen und hatten gerade einen Roten Traminer“, schmunzelt Stefan.
Trauben-Ausdünnung war in unserem Weingarten übrigens kaum notwenig, diese wurde bereits beim Binden und Ausbrocken rein über die Reben erledigt. Braune Beeren als vermeintliche Krankheitsüberträger sind auch kaum zu sehen, alles bestens also. Man darf echt nur hoffen (und ein bisschen beten), dass die letzten Wochen in den steirischen Weingärten nichts schlimmes mehr passiert. Keine Unwetter, nicht zu starker Regen … am besten wären noch ein paar kühle Nächte und sonnige Tage.
Die Beeren (ca. eine Handvoll benötigt man) fahren nun Express vom Weingarten in das Potzinger-Stammhaus in Gabersdorf, werden dort in einen Behälter gepresst und der Most analysiert. Mit Blaulauge wird eine einfache Säuremessung durchgeführt, mit dem Refraktometer der Zuckergehalt gemessen. Die Ergebnisse (Stand 15. September 2020): 8 Promille Säure und 16 KMW Zucker. Schaut schon mal sehr viel versprechend aus.
Was das jetzt für die nächsten Wochen heißt? Ein bisschen dürfen sie noch oben bleiben, meine Trauben, aber wohl maximal zwei Wochen. Heißt: geplante Lese ist rund um den 4. Oktober – sofern das Wetter natürlich mitspielt. Bewerbungen werden gerne angenommen 😉
Meine Euphorie steigt und um liebsten würde ich nun jeden Tag im Weingarten sitzen und Beerenmuster analysieren. Bringt natürlich nix. Oder wie es Stefan so schön formuliert: „Werte sind gut und schön, aber das wichtigste ist immer noch das Kosten! Der richtige Lesezeitpunkt ist einfach Gefühlssache. Das ist wie beim Wein trinken – da wird am Schluss auch nicht herumanalysiert, sondern er muss einfach schmecken!“ Ja, da hat er Recht …